Dschungel Safari - Unterwegs im Nam Ha Nationalpark

Unser Drei-Tages-Ausflug startete mit einer Paddeleinführung. Ausgerüstet mir Helm und Schwimmweste waren wir bereit, riesige Stromschnellen zu befahren. Die Anzahl Stromschnellen hielt sich dann in Grenzen. Jetzt, Ende der Trockenzeit ist der Wasserstand sehr tief, sodass die grösste Gefahr von aus dem Wasser ragenden Steinen oder Bäumen ausging. Wir paddelten die meiste Zeit gemütlich den Nam Tha (Fluss Tha) hinunter und genossen die Landschaft.

 

Unterweges hielten wir in zwei Bergvolk-Dörfern an und lernten mehr über ihre Lebensweise. Die Bewohner sind in der Regel Selbstversorger. Geld für das Nötigste wird mit dem Verkauf von Tieren, Gemüse und Souvenirs verdient. Die Meisten leben sehr einfach und in Einklang mit der Natur. Neben den kultivierten Flächen für Reis oder Mais, beschaffen sie sich die restlichen Nahrungsmittel und Werkzeuge aus dem Wald.

 

Das erste Anzeichen für ein Dorf ist meistens das Gekreische von badenden Kindern. Sobald sie merken, dass Touristen im Boot sind, beginnen sie entweder nach ihren Kleidern zu rennen, zu winken, zu starren oder ihre Sprung- und Schwimmkünste vorzuführen.  

Die erste Nacht verbrachten in einem Khmu-Dorf bei einer Familie. Wir schliefen zusammen mit den Kindern im Hauptraum am Boden unter zerlöcherten Moskitonetzen. Wie fast überall in den Dörfern war die Einrichtung auf das Minimum beschränkt, ein Fernseher und riesige Lautsprecher durften aber auch hier nicht fehlen.

 

Die folgenden zwei Tage trekkten wir durch den Urwald. Laut Veranstalter zwei leichte mehrstündige Wanderungen, wo gute Schuhe von Vorteil wären. Der Norden von Laos ist voller Hügel, die das Landschaftsbild sehr idyllisch machen, das Wandern jedoch sehr anstrengend. Auf engen, steilen Pfaden ging es aufwärts in den Dschungel hinein. Bei Temperaturen von über 30C lernten wir eine neue Dimension von Schwitzen kennen. Erstaunlich, wie grosse Schweisstropfen der Körper produzieren kann. Ein Sturm hatte die Woche davor zahlreiche Bäume umgeknickt und unsere Wanderung erinnerte bald an eine Dschungel-Expedition. Die Machete unsere Guides kam fleissig zum Einsatz, während er den Weg für uns freimachte. Im heissen Dickicht wurde uns klar, dass wir nun dem Touristenstrom endgültig entkommen waren. Ob das wirklich gut war? Alleine in einem Wald voller Insekten, Stunden entfernt von einem Dorf oder einer Strasse, in einem Land mit erwiesenermassen schlechter Gesundheitsversorgung?

 

Während darauf warteten, dass On, unser Guide, den Weg freihackte, schossen mir verschiedene „Was wäre wenn...“ Szenarien durch den Kopf. Gleichzeitig rüttelte On am Bambus und peng... fiel eine Schlange gleich neben mir auf den Boden. Die Schlange und ich schauten uns an, ich schrie, sie zischte und dann haute sie ab. Der Guide drehte sich nur kurz um und frage „Schlange? War sie gross?“ bevor er sich wieder dem Bambus zuwandte. Michi lachte und ich versuchte, nicht an einem Herzinfarkt zu sterben.

 

Kurz danach verstauchte ich mir den Knöchel was mich auf andere Gedanken brachte. Trotz Michi’s Profi-Tapping konnte mein Fokus von Angst zu Schmerz wechseln. Die steilen, rutschigen Pfade waren definitiv nicht für Turnschuhe und kurze Hosen konzipiert. Die kurzen Hosen erwiesen sich auch gegenüber den zahlreichen Blutegeln als nicht ideal. Diese kleinen, aggressiven Viecher warteten zu hunderten auf den Pfaden auf vorbeikommende Warmblüter. In einem Sekundenbruchteil saugen sie sich an Schuhen fest und kriechen aufwärts. Die Herausforderung ist es, die Egel zu entfernen bevor sie die Haut erreichen und gleichzeitig beim Stehenbleiben zu verhindern, dass Neue hinzukommen. 

Während ich in Gedanken bereits Malaria, Denguefieber, Skorpion- und Schlangenbisse hatte, marschierte Michi seelenruhig durch den Wald. Er befand sich im Wandermodus: Gehen, schwitzen, Natur geniessen. Dies funktionierte gut, bis auch er von den Blutegeln heimgesucht wurde.

 

Irgendwann erreichten wir dann unser Tagesziel, eine Dorf am Fluss, welches nur zu Fuss erreichbar ist. Vor Laos war ich überzeugt, dass man mit allen Menschen mit Hilfe von Händen, Füssen und Zeichnungen kommunizieren kann. Dieser Theorie musste ich hier ein paar Vorbehalte hinzufügen. Die Kommunikation mit den Bergvölkern war eine Herausforderung. Neben den Sprachschwierigkeiten (wir kein Lao, sie kein Englisch), sind unsere Welten so verschieden, dass es schwierig ist, eine Basis zu finden. Nicht einmal das Fingerzählsystem ist das Gleiche und viele Erwachsene sind Analphabeten, sodass Zahlen aufschreiben wenig Sinn macht. Meistens endeten unsere Versuche mit gegenseitigem Anlächeln und Eingeständnis, dass wir uns nicht Verstehen.

 

Unser Guide On sprach nicht nur sehr gut Englisch, er konnte auch hervorragend kochen und hatte ein faszinierendes Wissen über essbare Pflanzen. So kamen wir in den Genuss von Flussfarn, wilden Auberginen, Bambus, Pilzen und Rattan. Hunger war auf diesem Trip sicher nie ein Problem. 

Am nächsten Tag überquerten wir einen letzten Berg, um zur nächsten Strasse zu gelangen. Verglichen mit dem Trampelpfad tags zuvor war der Weg sehr komfortabel. Wenn man aber bedenkt, dass dies die Hauptversorgungsroute für die Dörfer am Fluss ist, ist es doch ein sehr schmaler, holpriger Pfad.

 

Stinkend und müde erreichten wir nach ein paar Stunden unseren Abholpunkt. Eine Bilanz nach der verdienten Dusche: Bereuen wir das Trekking? Sicher nicht. War es eine tolle Erfahrung? Auf jeden Fall. Würden wir gleich nächste Woche nochmals gehen? Eher nicht. 

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