Unglaubliches Indien

Indien bereitete uns einen schwierigen Empfang. Innerhalb der ersten 24 Stunden holten wir uns Bettwanzen, einen Delhi Belly, bekamen in einem Zimmer ohne funktionierende Klimaanlage und meldeten uns für eine überteuerte Tour an. Wie es soweit kommen konnte? Unsere Idee war, die ersten Nächte in einem Hostel zu verbringen, damit wir uns mit anderen Reisenden austauschen und von den Erfahrungen der Mitarbeiter profitieren konnten. Dummerweise landeten wir in einem Hotel, das trotz den guten Bewertungen, ziemlich schlecht war. So lernten wir auch innerhalb der ersten Stunden wichtige Dinge für eine Indienreise; lieber mehr für ein Hotel bezahlen und nie für eine Tour unterschreiben wenn man müde, krank und voller Insektenbisse ist. 

 

Positiv gesehen erreichten wir unseren Tiefpunkt bereits am Anfang und so konnte es nur besser werden. Im Spital wurde Michi schnell und kompetent behandelt und die Reiseagentur verlangte zwar eine hohe Kommission, erbrachte aber die vereinbarten Leistungen. Nachdem wir uns ein paar graue Haare wegen unseres Anfängerfehlers hatten wachsen lassen, stellten wir fest, dass wir zwar einiges mehr bezahlt haben, als wenn wir selber organisiert hätten, aber weniger, als mit einem Europäischen Veranstalter. Da Nicht-Inder hier bei allen Sehenswürdigkeiten vier bis zwanzigmal mehr Eintritt bezahlen, kamen wir sogar fast billig weg. 

Am nächsten Morgen wurden wir von unserem Fahrer Raj, wirklich, abgeholt und wir fuhren Richtung Jaipur. Im klimatisierten Wagen konnten wir uns nun in Ruhe umschauen und mehr Eindrücke von Indien gewinnen.

 

Nachdem wir im Hotel in Jaipur abgeladen wurden, hatten wir die Schweizerische Idee, zu Fuss die Umgebung zu erkunden. Es hat schon einen Grund, warum alle Inder einen Fahrer haben. Die meisten Stadtquartiere sind überfüllt, laut, dreckig und es gibt nichts zu sehen, ausser dem Strassentreiben zuzuschauen. Nach einer halben Stunde gaben wir auf und gingen zurück ins Hotel, wo wir uns das Essen ins Zimmer bestellten.  

 

Am folgenden Tag erkundeten wir Jaipur mit der Hilfe von Raj. Unser erster Halt war Amer, eine frühere Hauptstadt mit einem riesigen Palast, der in den Hügel hinein gebaut wurde. Michi war ab der schieren Grösse und vor allem ab der Ähnlichkeit mit Palästen in Computerspielen total fasziniert. Glücklicherweise sprang er nicht auf einen Dachvorsprung und versuchte Monster zu jagen. Den Palast kann man mit dem Auto, zu Fuss oder mit einem Elefanten erreichen. Darum tummeln sich auf den Strassen in Jaipur Autos, Motorräder, Fahrräder, Kühe, Kamele und Esel die Wagen ziehen und eben auch Elefanten. Irgendwie können Inder in diesem Chaos fahren, wobei auch hier nichts ohne Hupen funktioniert. Wer als Europäer hier fahren möchte, ist doof und/oder selbstmordgefährdet.

Am Nachmittag besuchten wir noch den berühmten Hawal Mahal (Palast der Winde), Jantar Manta, ein Park mit riesigen, steinernen astrologischen Messinstrumenten und das Nahargarh Fort. In den Touristenattraktionen ist das Geschlechterverhältnis ziemlich ausgewogen, was auf den Strassen überhaupt nicht der Fall ist. 90% der Menschen auf den Strassen und Angestellte in Läden und Restaurants sind Männer. Frauen sollten zuhause bleiben und keinen Kontakt zu Fremden unterhalten.

 

Der nächste Halt auf unserer Goldenen Triangel Tour war Agra, bekannt als Heimat des Taj Mahals. Vergessen geht oftmals die Geisterstadt Fatehpur Sikri am Stadtrand, wieder einmal ein riesiger Komplex. Zu besseren Zeiten wohnten darin ein Harem von über 5000 Frauen und eine Legion von Eunuchen, die sie bewachten. Indische Touristen stellen die grosse Mehrheit dar und sie bewunderten nicht nur die Bauten sondern auch Michi. Mit seiner Grösse und dem Drei-Tage-Bart entspricht er wohl dem Idealbild eines Weissens und wurde dementsprechend oft gebeten, auf Fotos zu posieren. 

Den ersten Blick auf den Taj Mahal genossen wir von den Gärten auf der gegenüberliegenden Flussseite aus. Egal, wie viele Bilder man schon vorher gesehen hat, der Anblick ist atemberaubend. Umso mehr als das wir den Taj Mahal praktisch allein bestaunen konnten.  

 

Früh am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg den Taj Mahal von Nahem zu bewundern. Leider war es bewölkt, sodass wir den Sonnenaufgang nicht sehen konnten, aber dank der frühen Stunde, war der Komplex beinahe menschenleer. Kein Anstehen und kein Gedränge, ungestört konnten wir das wunderschöne Bauwerk anschauen und geniessen. 

 

Zurück in Delhi konnten wir eine erste Indien-Bilanz ziehen. Was wir bis jetzt gesehen hatten, waren viele grossartige Monumente. Es sind so viele, dass man sie nicht alle restaurieren und instand halten kann. So sind die Gebäude leider alle leer, Wandmalereien verblassen, Fensterrahmen zerfallen und in die Ecken wir gespuckt und gepinkelt. Nicht vorhandene Hygiene und Abfallberge sind neben der überall sichtbaren Armut und Ungleichheit die grössten Tiefpunkte beim Reisen durch Indien. Die Menschen benutzen den öffentlichen Raum als Toilette und Müllhalde. In den Müllbergen wühlen Menschen, Hunde und Kühe auf der Suche nach Verwertbarem. Saubere Strassen und Wege gibt es nur an ausgewählten Vorführorten. So gern wir an Strassenständen essen, hier verzichteten wir dankend und liessen uns von Raj in die entsprechenden Touristenlokale fahren.

Neben diesen Dingen sind da die Inder selber. Es gibt mehr als 1.1 Milliarden davon und das ist auch deutlich sichtbar. Überall hat es viele Menschen und jede Dienstleistung wird von drei statt einer Person verrichtet. Die meisten Inder sind freundlich und neugierig und anstatt einer Begrüssung wird man oft nach dem Namen oder dem Herkunftsland gefragt. Das Mühsame ist, dass man nie weiss, ob sie einfach nur neugierig sind, etwas verkaufen oder schlichtweg Geld wollen. Da wir uns die Reise leisten können, werden westliche Touristen als wandelnde Geldautomaten betrachtet. Dies ist verständlich aber sehr nervig. Die Hitze, der Lärm, der Gestank und die vielen Leute lassen die Zeit rasen. Schon nach einer kurzen Zeit hat man das Gefühl stundenlang draussen zu sein und lechzt nach einer Pause.

 

Es gibt keinen einfachen und schnellen Weg, diese grossen Herausforderungen zu lösen. Jedoch machen sie es schwierig für uns, begeistert von Indien zu sein. Vielfältig und interessant? Ja! Wunderbar? Nein!

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